Liebst du schon oder führst du noch?
von mo am 30 Aug. 2010, gespeichert unter Allgemein
Worms – Vor Kurzem nahm ich Teil an einer Veranstaltung zur Amtseinführung des Predigers einer Nachbarkirche. Der neue Kollege wurde sehr herzlich empfangen, der Funke sprang über. Zugleich gab es kaum einen Satz, der nicht von den Erwartungen sprach, die mit dem Amtsantritt verbunden waren. Passend zum Thema des Gottesdienstes hatte man die Bühne mit Accessoires aus der Schäferei dekoriert. Die Predigt griff das Bild auf und schilderte anschaulich die Hilflosigkeit der Schafe ohne einen Hirten. Darüber kam ich ins Nachdenken. Hatte ich es nicht anders erlebt? Auf einer Wanderung durch unwegsame korsische Berge beobachteten wir eine große Herde Schafe, die ohne Schäfer ihren Weg fand. Hilflos waren die Schafe ganz und gar nicht. Einige Zeit hatten wir diese großen Tiere schon angestaunt, wie sie sich immer wieder verteilten, um dann gemeinsam weiter zu ziehen, als wir beobachteten, wie einige von ihnen zögerten und lange abzuwägen schienen, ob sie ihren eigenen Weg zu einer verlockend saftigen Weide gehen oder weiter ihrer Herde folgen wollen.
Den Schafen, die aus dem Herdenverband aus welchen Gründen auch immer ausgeschieden sind, nachzugehen, das scheint die Aufgabe eines Hirten zu sein, wie ihn Jesus beschreibt: der Hirte als Retter, als Überbringer des Heils. Plötzlich wird mir klar, warum Jesus Petrus das „Weide meine Schafe“ dann aufträgt, als dieser gelernt hat, um was es eigentlich geht. Liebst du schon oder führst du noch? Führung darf sein, muss auch sein. Doch ist ihr Beweggrund nicht die Liebe, führt sie langfristig in die Irre. Die Gesellschaft bietet dafür leider viele Beispiele, man denke nur an die Finanzkrise. Gemeinde kann ein Gegenbeispiel, ein Vorbild sein, wenn wir gelernt haben, wie wichtig es ist, zu lieben.
Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! (Jo 21,16b) Geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. (Mt 10, 6)