Ins Gefängnis für Immanuel Kant
von mo am 18 Sep. 2013, gespeichert unter Allgemein
Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis heute leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalttätigen reißen es an sich. (Matthäus 11,12)
Nachdenkliches – Gerade habe ich noch laut aufgelacht über das, was ich da las. In der russischen Stadt Rostow am Don war ein Mann beim Einkaufen mit zwei anderen Kunden ins Gespräch gekommen. Es ging immer heftiger zu Sache, es flog eine Faust und schließlich wurde geschossen. Gestritten hatte man sich über den 1804 gestorbenen Philosophen Immanuel Kant. (sda 16.09.2013, 14:50 / orf.at/stories/2198716) Na so was. Ich bin ja auch schon in der Schlange vor der Kasse ins Gespräch gekommen. Aber noch nie über Kant – Glück gehabt!
Und da ist mir das Lachen im Hals stecken geblieben. Weil Menschen zu Schaden gekommen sind. Weil es schon normal ist, dass Menschen sich wegen einer Religion umbringen – nur eben nicht wegen Kant. Und dann ist mir auch noch eingefallen, dass ich letztens selbst in Streit geraten bin. Und später verwundert war: „Wieso streite ich mich eigentlich – und dann auch noch darüber?“ Aber es geht. Ganz einfach.
Es sagt sich leicht: Sachlich bleiben, dafür Sorge tragen, dass ein Konfliktgespräch lösungsorientiert bleibt und lieber das Gespräch an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit fortsetzen, womöglich mit einem hilfreichen Dritten. Glücklich, wer das immer umsetzt! Jesus, der die Sanftmütigen selig preist, führte Gespräche, beispielhaft sachlich und gleichermaßen einfühlsam, zum Beispiel mit der Frau am Jakobsbrunnen, dem reichen Jüngling oder mit Petrus.
Was also, wenn es nicht Kant, sondern Gott ist, den es zu verteidigen gilt? Und wenn ich gerade überhaupt keine Lust habe, gemeinsam, auf Augenhöhe und sanftmütig nach den Wegen Gottes zu suchen? Wenn ich die Wahrheit verteidigen muss? Fragen lassen muss ich mich dann, ob ich mir nicht anmaße, an die Stelle Gottes zu treten und über andere Menschen und über das, was sie vertreten, zu richten. Und ob ich damit nicht gerade dem Himmelreich Gewalt antue.
„Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte (Matthäus 18, 1 – 4)